Erstens, zweitens, drittens - der Bundeselternrat hat klare Vorstellungen zum Thema Schulbau: Kooperationsverbot aufheben, die vorhandenen Mittel gerecht(er) verteilen. Und dann gute Schulen bauen.
Eine gute Schule ist eine, die einer heterogenen Schülerschaft gerecht wird. Die gesund, nachhaltig und inklusiv ist und verschiedenen Nutzerinnen Raum bietet.
Spätestens hier sollte klar geworden sein, dass Geld alleine nicht ausreicht. Wolfgang Pabel spricht vom erweiterten Bildungsbegriff, neuen Schulbaurichtlinien und einer neuen Kultur des Planens und des Bauens, sprich der Beteiligung der Menschen, die in den guten Schulen leben, lernen und lehren sollen.
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Die öffentlichen Kassen der Städte und Kommunen sind leer und der Investitionsdruck durch die steigende Nachfrage nach neuen Schulbauten in den Ballungszentren und die notwendigen Instandhaltung der bestehenden Schulen nimmt unaufhörlich zu. Die Schulbauten in Deutschland sind hierbei insgesamt in so einem schlechten Zustand, dass nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Urbanistik* allein bis zum Jahr 2020 ein Investitionsbedarf von ca. 35 Milliarden EUR besteht. Auch wenn in einigen Bundesländern schon erhebliche Anstrengungen beim Neu- und Umbau von Schulen zu verzeichnen sind, ist dieses Finanzierungsdefizit aus Elternsicht nicht hinnehmbar. Um dieses Missstand aufzuheben, muss die Finanzverantwortung für die Bildung auf den Prüfstand gestellt werden. Der Bundeselternrat fordert hierzu seit langem die Aufhebung des Kooperationsverbotes. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gerade unter den aktuellen Herausforderungen an das Bildungssystem ist eine bundesweite Bildungsstrategie gefordert, die zur Ermittlung der notwendigen Kosten für Bildung und deren gerechter Verteilung zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen führt.
Nach welchen Kriterien soll in Zukunft geplant und gebaut werden? Mit den aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen durch die Zuwanderung, dem demografischen Wandel und dem Anspruch an eine zeitgemäße Pädagogik stehen erhebliche Veränderungen in der Planung, der Gestaltung und dem Bau von Schulen im Raum:
- Pädagogik/Heterogenität: Die monofunktionale Sichtweise des Schulbaus im letzten Jahrhundert entspricht nicht mehr den pädagogischen Anforderungen der heutigen Zeit. Individuelle Förderung, Rhythmisierung, Ganztag und neue Lern- und Lehrformen erfordern neue räumliche Konzepte. Zudem können wir heute nicht absehen, welche Nutzungen in 20 Jahren auf die Schulgebäude zukommen. Wir benötigen flexible Gebäude mit offenen und veränderbaren Raum- und Organisationskonzepten, die jederzeit den gegebenen Anforderungen angepasst werden können. Der deutliche Anstieg der Heterogenität in den Schulklassen erfordert angemessene räumliche Bedingungen, damit alle Schülerinnen und Schüler differenziert gefördert werden können. Wir benötigen Raumkonzepte mit Differenzierungsräumen und offenen Bildungslandschaften, um diesen individuellen Anforderungen an einen gemeinsamen Unterricht gerecht zu werden.
- Gesunde Schule: Kinder haben ein Recht auf Bildung und ein gesundes Lernumfeld. Lärmschutz, Raum zur Bewegung und ein ästhetisch anregender Schulbau unterstützen die gesunde Entwicklung unserer Kinder und sind anerkannte Kriterien für den modernen Schulbau. So wie es die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung oder die Montag-Stiftungen Jugend und Gesellschaft in ihren Leitlinien schon lange fordern: Wir brauchen vor allem eine Investition in den gesunden Schulbau!
- Nachhaltiger Schulbau: Schule sollte Inhalte, die sie vermittelt, auch umsetzen, um glaubwürdig zu sein. Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schulen (BNE) verlangt die Verwendung wiederverwertbarer Materialien, die Vorgabe eines niedrigen Energieverbrauchs und die gesundheitlichen Ausrichtung in der gesamten Baupllanung.
- Schule als städtebauliche Ressource: Auf Grund der Forderung nach einem nachhaltigen Schulbau und dem engen Finanzrahmen bei den Kommunen muss in Zukunft über die Erhöhung des Nutzwertes von Schulgebäuden nachgedacht werden. Schulen könnten durch Mehrfach- und Mischnutzungen erheblich besser ausgelastet sein . Gerade durch eine gute Gestaltung ihrer Öffnung könnten die Schulen eine erhebliche Belebung und eine höhere Bedeutung für die Region erfahren.
- Schulentwicklungspolitik: Wichtige Aspekte wie die ganztägige Bildung, die Forderung nach Inklusion und eine erfolgreiche Integrationspolitik erfordern einen erweiterten Bildungsbegriff, der die Bildung unserer Kinder nicht mehr an nur einem Standort verortet, sondern im kommunalen Zusammenhang sieht. Ein moderner Schulbauprozess ist ohne eine sozialräumliche Bewertung und die Rückbindung an eine regionale Schulentwicklungspolitik nicht umsetzbar.
- Schulbaurichtlinien: In den Bundesländer folgen die generalisierten Schulbaurichtlinien immer noch den überkommenen Vorstellungen eines traditionellen Schulbaus. Im Zentrum des Schulgrundrisses steht der Klassenraum mit einer festgelegten Raumgröße und einer entsprechenden Funktionszuweisung. Neue Raum- und Organisationskonzepte sind hier meist nicht vorgesehen oder werden durch entsprechende Vorgaben zum Teil sogar verhindert. Wir benötigen neue Schulbaurichtlinien, die einen qualitativen und quantitativen Orientierungsrahmen darstellen, der individuell interpretierbar ist und sinnvolle Mindestanforderungen enthält.
Um diesen vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden, bedarf es also einer neuen Kultur des Planens und Bauens. Anpassung und Umbau sind heute wichtiger als der normierte Neubau. Um diesen individuellen Planungsprozessen gerecht zu werden, bedarf es einer passgenauen Bedarfsanalyse für den einzelnen Lernort. Die Frage, welche Schule mit welchem Profil in Zukunft neugebaut, umgebaut oder geschlossen werden soll, kann nur in einem integrierten Planungsprozess und unter intensiver Mitwirkung aller Beteiligten beantwortet werden. Das betrifft neben der Architektur, dem Städtebau, der Verwaltung und der Politik vor Allem die Schülerinnen und Schüler, die Lehrer und die Eltern. Ein zeitgemäßer Schulbau verlangt die demokratische Beteiligung der späteren Nutzer!
Wolfgang Pabel
Stellvertretender Vorsitzender und Pressesprecher des Bundeselternrates
*(Reidenbach, Michael, u.a. (2008): Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen. Ausmaß, Ursachen, Folgen, Strategien, Edition Difu – Stadt Forschung Praxis, Bd. 4)