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Greenpeace: Bildungseinrichtungen müssen Gestaltungsort für nachhaltige Entwicklung werden

Unser Experte des heutigen Tages ist Fachmann für Bildung bei Greenpeace. Die Umweltorganisation setzt sich dafür ein, dass Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung auf die politische Agenda kommt und ist Mitglied in der NGO-Allianz Bündnis ZukunftsBildung.

Für Thomas Hohn ist der Zustand vieler Schulgebäude ein "ethisches Desaster". „Gesamtinstitutionelle bzw. institutionsweite Ansätze erfordern nicht nur eine Neuorientierung der Lehrinhalte und Methoden, sondern auch eine Gelände- und Gebäudeverwaltung, im Einklang mit einer nachhaltigen Entwicklung“, zitiert er die UNESCO Roadmap zur Umsetzung des Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung“.
Doch wie soll das gehen in einer Lernumgebung, die diese Ziele so wenig wertschätzt? " Wie soll jemand etwas über Energie sparen lernen, wenn der Wind durch die Fenster pfeift?"

 

Thomas Hohn

Bildung gestaltet Zukunft! Schule ist dabei eine der wesentlichsten Impulsgeberinnen in einer komplexen Welt. Sie soll der jüngeren Generation Chancen eröffnen, sie soll Schülerinnen und Schülern ermächtigen, gesellschaftliche Entwicklungen zu erkennen und die Welt mitzugestalten. Hier ist zu entscheiden, welchen ethischen Prinzipien und grundlegenden Werten wir folgen wollen. Denn diese spiegeln sich in den Lehr- und Lernorten wider. Mit Blick auf die maroden Schulgebäude, in denen Kompetenzen für die Herausforderung von heute und morgen erworben werden sollen, erleben wir in diesem Sinne ein ethisches Desaster.

Doch welche Schulgebäude brauchen wir? Wie soll Schule aussehen? Dabei stellt sich zuvorderst eine Wertefrage: „In welcher Welt wollen wir leben?“ Wir benötigen dringend einen Paradigmenwechsel hin zu nachhaltigen Entwicklungen, wir  brauchen einen Ort für eine Zukunftsbildung, die Kompetenzen fördert, aus denen Lösungen entwickelt werden können.

Bildungseinrichtungen als Gestaltungsort für eine nachhaltige Entwicklung

Auf der Ebene der UN hat man den dringenden Handlungsbedarf erkannt. Mit Blick auf die gewaltigen Herausforderungen der Menschheit wie Klimawandel und Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzung und Welternährung hat die Weltgemeinschaft 2015 in einem mutigen Wurf die 17 Sustainable Development Goals (kurz: SDGs) beschlossen. Diese Nachhaltigkeitsziele sollen eine Transformation unseres Planeten ermöglichen, hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Nachhaltigkeit als gesellschaftliche Leitperspektive zu etablieren bedeutet jedoch nicht weniger als einen Kulturwandel in unserer bisherigen Denk-, Lebens- und Wirtschaftsweise zu vollziehen.

Um einen solchen Wandel im Sinne der SDGs zu erreichen, ist Bildung und damit der Lernort maßgeblich und entscheidend. Es gilt, Handlungsoptionen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu eröffnen und alle Lernenden zu ermächtigen, sich selbst und ihre Gesellschaft verändern zu können.  Die junge Generation braucht dafür Zugang zu qualitativ hochwertiger und wirkungsvoller Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Dafür müssen Bildungseinrichtungen Gestaltungsort für eine nachhaltige Entwicklung werden. Die UNESCO Roadmap zur Umsetzung des Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ fordert: „Gesamtinstitutionelle bzw. institutionsweite Ansätze erfordern nicht nur eine Neuorientierung der Lehrinhalte und Methoden, sondern auch eine Gelände- und Gebäudeverwaltung, im Einklang mit einer nachhaltigen Entwicklung.“ (S.35)

Neuorientierung und Umgestaltung

Bis zu einer inhaltlichen Neuorientierung wie einer Auflockerung des Fächerkorsetts, langfristigen Projekten, themenorientierte Lernen, neuen Perspektiven in Bezug auf intergenerationelle und kulturelle Ansätze oder einem Hinterfragen unserer Bewertungsmaßstäbe ist es trotz aller Bemühungen noch ein langer Weg. Genauso gibt es noch viel zu tun, damit ein „whole system approach“ erreicht wird, der die Umgestaltung von Bildungseinrichtungen in Gestaltungsorte für eine nachhaltige Entwicklung einfordert. Komplexe Zusammenhänge können nur verstanden werden, wenn sie auch vor Ort authentisch gelebt werden. Sehr verkürzt: Wie soll jemand etwas über Energie sparen lernen, wenn der Wind durch die Fenster pfeift? Der Lern- und Sozialraum ist in seiner gesamten Gestaltung von großer Bedeutung für eine Zukunftsbildung.

Der jüngeren Generation ist klar, dass ein „Immer-weiter-so“ keine Lösung ist. Das Greenpeace Nachhaltigkeitsbarometer - eine repräsentative Jugendstudie der Leuphana Universität Lüneburg im Auftrag von Greenpeace – weist eindrücklich nach, dass über 60% der jungen Generation nachhaltige Werte wie Schutz der Umwelt, zukunftsorientiertes Wirtschaften und soziale Gerechtigkeit teilen. Sogar 92% der 15-24Jährigen unterstützen die Energiewende, über 90% engagieren sich für das ökologische oder soziale Wohlergehen. Die Jugend ist bereit, sich den entscheidenden Fragen zu stellen und zu handeln.

Doch Lehrkräfte werden mit den inhaltlichen Herausforderungen alleine gelassen, eine Bildungsdebatte folgt der nächsten und in den Schulen fällt der Putz von den Wänden. Dabei wirkt es erschwerend, dass die bildungspolitischen Diskurse in abgeschotteten Fachkreisen und Gremien jeweils für sich geführt werden, ganz gleich ob sich um digitale Bildung, Inklusion oder Bildung für nachhaltige Entwicklung handelt. Dabei sind die Herausforderungen unserer Zeit nur verzahnt zu lösen. Synergie ist hier Vereinfachung und Lösungsansatz zugleich.

Wir brauchen Bildungseinrichtungen, die nachhaltige Entwicklung für Lernende und Lehrende konkret erfahrbar machen, die an den Lernorten ermöglicht, fächerübergreifend und themenorientiert zu lernen und zu leben. Dazu braucht es nachhaltige Beschaffung sowie gesunde, schadstofffreie und ökologische Bauweisen, die an den Herausforderungen unserer Zeit orientiert sind. Es braucht die Gestaltung einer Lernumgebung, die (Frei-)Raum ermöglicht, damit Schule zu einem Mitmachort für eine bessere Welt wird. Die politisch Verantwortlichen sind gefragt, endlich klare Entscheidungen zu treffen, es braucht eine überzeugende Verankerung und Umsetzung von Bildung für nachhaltige Entwicklung – auch und gerade in Bezug auf die Gestaltung der Bildungseinrichtungen! Es geht darum, nicht nur die Teile, sondern das Ganze zu sehen und zu gestalten. Das Motto muss lauten: Jetzt handeln statt hoffen!

Thomas Hohn
Kampaigner Umwelt- und Bildungspolitik
http://www.greenpeace.de/

Thomas Hohn ist Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Bildung.

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