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Warum sind schülergerechte Schulbauten wichtig?

Das Lernen und das Schulhaus, beides gehört zusammen. Der Raum, lautet eine viel benutzte Floskel, ist der "dritte Pädagoge". Schlechte räumliche Bedingungen führen zu schlechteren Lernergebissen. Eine Binse, sollte man denken.

Professor Christian Rittelmeyer hat lange zur Gestaltung von Schulbauten geforscht. Seine Erkenntnisse: In schönen Schulen lernt es sich besser, das Essen schmeckt besser. Die Lehrer nehmen ihre Schüler anders, positiver, wahr.

Für die Kampagne Einstürzende Schulbauten hat der emeritierte Erziehungswissenschaftler uns einen Beitrag zur Verfügung gestellt. Kultusministerien und Kommunen sollten ihn sich mit Blick auf eine engere Kooperation zu Herzen nehmen.

 

Christian Rittelmeyer

In den letzten Jahren sind zahlreiche Forschungsarbeiten erschienen, die mit der Wirkung von Farben und Formen in Schulbauten auf ihre Nutzer befasst waren. Die Studien machen deutlich, dass die Schularchitektur erhebliche Auswirkungen auf das Lernverhalten, auf die Gewaltbereitschaft, auf die Stimmungen und auf die Krankheitsanfälligkeit Heranwachsender hat.

Untersuchungen unter anderem in Deutschland, in Südafrika und in den USA haben gezeigt, dass positiv erlebte Schulumgebungen mit geringeren schulvandalistischen Aktivitäten der Schüler einhergehen.

Einige Studien zeigen auch die negativen Auswirkungen einer schlechten Schallisolierung in Schulen, starker Halleffekte oder anderer Lärmquellen: Schon mittelstarker Dauerlärm (etwa von einer vorbeiführenden und vielbefahrenen Strasse herrührend) kann zu Leistungseinbußen und gesundheitlichen Belastungen führen. Ein weiterer Stressfaktor kann eine zu hohe Schülerdichte (bzw. eine zu geringe Quadratmeterzahl je Schüler in Klassenzimmern) sein – größere Dichte führte zu schlechteren Leistungen, häufigeren Verhaltensproblemen und ausgeprägterem Stressgefühl. Weitere Studien zeigen, dass positiv erlebte Schulbau-Umgebungen (z. B. mit Fenstern versehene statt fensterlose Klassenzimmer oder „warme“ Beleuchtung statt Neonlicht) die Krankheitsrate der Schüler senken.

Meine eigenen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Schularchitektur ausgeprägte körperliche Auswirkungen hat: Je nach Formen und Farben werden Spannungs- und Entspannungsgefühle, Gefäßdurchblutung, Blickbewegungen und andere physiologische Parameter in einer jeweils besonderen Weise provoziert.

Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass die Schulleistungen in fast allen Fächern verbessert werden können durch ein architektonisches Umfeld, das Kindern und Jugendlichen sympathisch erscheint; werden Schulgebäude antipathisch erlebt, verschlechtern sich im statistischen Schnitt die Schulleistungen. Auch technische Eigenschaften wie z. B. thermischer Komfort (nicht zu heiß im Sommer, angenehme, nicht zu trockene Raumluft im Winter) und vor allem eine gute, blendfreie Belichtung in den Klassenräumen führen zu erhöhter Leistungsbereitschaft sowohl der Schüler als auch des Lehrpersonals.

Ein interessantes Forschungsergebnis besteht auch darin, dass die Wahrnehmung der Lehrer durch Schüler von der jeweiligen Lernumgebung beeinflusst werden kann. So zeigte sich beispielsweise in einer Untersuchung, dass Lehrer, die in streng rechteckig bzw. kubisch strukturierten Klassenräumen unterrichteten („classic box classrooms“), auf einen Teil der Schüler strenger wirkten als wenn sie in einer „lebendig“ wirkenden Umgebung lehrten. Verschiedene Untersuchungen machten auch deutlich, dass vielen Schülern das Essen in einer ästhetisch wohlgefälligen Schulmensa besser schmeckt als in einer hässlichen. Insgesamt ist diese „Einfärbung“ der Wahrnehmung durch das jeweilige architektonische Umfeld inzwischen aus der Architektur- und allgemeiner aus der Umweltpsychologie wohlbekannt.

Es kann also kein Zweifel daran bestehen, dass die Gestaltung von Schulgebäuden von erheblicher Bedeutung für die Leistungsfähigkeit, für das Wohlbefinden und für die Gesundheit Heranwachsender ist. Den Bauformen und Farben der Schulanlagen, dem Dekor und der Schulhofgestaltung muss daher die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt werden wie der Qualität der Lehre und Lehrpläne. Dass in dieser Hinsicht in vielen Architekturbüros und Bauverwaltungen eine ästhetische und forschungsbezogene Aufklärung wie auch Weiterbildung notwendig wäre, wird angesichts zahlreicher kalt, unfreundlich und langweilig wirkender Schulbauten leider nach wie vor deutlich. Einige abschließende Hinweise scheinen mir im Hinblick auf eine zukünftige menschenwürdige Schulbaugestaltung wichtig zu sein:

Zunächst einmal ist es wichtig, dass die Nutzer (in einer sinnvollen Weise) in die Planungen von Schulbauten einbezogen werden – das wird inzwischen von einigen Architekturbüros versucht. Es gilt, eine gemeinsame Sprache zu finden, denn Nutzer wie Planer reden häufig aneinander vorbei. Zweitens sollten bei Wettbewerben die Jurymitglieder nicht nur aus Architekten und Vertretern der Bauadministration bestehen, sondern auch aus fachkundigen Lehrern oder Erziehungswissenschaftlern. Drittens wird es in Zukunft wichtig sein, Schulgebäude einer Qualitätskontrolle zu unterziehen, etwa in Form der Post Occupancy Evaluation, also einer Befragung der mit dem Gebäude vertrauten Nutzer. Viertens wäre es wichtig, dass auch von Seiten des Lehrpersonals eine bildungstheoretische Reflexion daraufhin unternommen wird, auf welche Gestalt der gebauten „Bildungslandschaften“ es mit Blick auf zentrale Ideen der modernen Pädagogik ankommt: Etwa die Idee allseitiger statt spezialisierter Bildung, der Erziehung durch Ermutigung statt durch Bedrohung und der Beachtung von Entwicklungsbedürfnissen Heranwachsender. Und schließlich: Es müssen endlich auch von den Bauplanern die Ergebnisse der internationalen Schulbauforschung zur Kenntnis genommen und in den Baukonzeptionen berücksichtigt werden.

Angesichts der unzumutbaren baulichen Zustände in zahlreichen Schulen bei gleichzeitiger Dauerbeteuerung unserer Politiker, dass man „in Bildung investieren“ möchte, ist die Initiative „Einstürzende Schulbauten“ der Stiftung Bildung sehr zu begrüßen: Vermutlich bewegt sich auf diesem Gebiet nur etwas, wenn zivilgesellschaftliches Engagement diese andauernde Schulbau-Misere mit Nachdruck ins öffentliche Bewusstsein rückt.

Prof. Dr. Christian Rittelmeyer

Den vollständigen Text „Wirkungen der Schularchitektur auf Schülerinnen und Schüler“ finden Sie hier

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