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Mehr Geld für Schulbau? Mehr Qualität und Innovation!

Marode Schulen sind ein Thema geworden. Neben den bundesweit bekannt gewordenen Protestaktionen der Berliner Eltern ist es dem wachsenden Unmut auch von Schülerinnen und Lehrerschaft in vielen lokalen Initiativen zu verdanken, dass Milliardeninvestitionen für die Sanierung der kaputten Gebäude vorgesehen sind. Auch unsere Kampagne hat ihren Teil zum Erfolg beigetragen.

Es gibt diverse teils milliardenschwere Landesprogramme. Darüberhinaus haben Großstädte wie München, Berlin, Frankfurt oder Hamburg unterschiedliche Strategien entwickelt, wie sie langfristig ihre zahlreichen zum Teil stark sanierungsbedürftigen Häuser wieder in Schuss bringen.

Das ist wunderbar und wird für viele eine Erlösung sein, weil sie die Zustände in ihren Räumen schon lange nicht mehr ertragen. Es wird keinen Schimmel mehr geben, die Toiletten werden nicht mehr stinken, die Fenster werden nicht mehr aus den Rahmen fallen, die Heizungen werden funktionieren, möglicherweise gibt es W-lan.

Befreiend!

Und dennoch: Wenn es nur um Reparieren und Sanieren geht, ist es eine verpasste Chance, findet Barbara Pampe von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. "Schule muss sich den gesellschaftlichen Veränderungen stellen und räumlich darauf reagieren", sagt die Architektin. "Die Chance, die sich durch die anstehenden Investitionen in den Schulbau ergeben wird, dürfen wir uns nicht entgehen lassen: die besten Häuser für unsere Kinder und Jugendliche zu bauen, die den Funktionen einer heutigen Schule entsprechen."

Barbara Pampe schlägt vor, innovative Konzepte in Provisorien wie Containerbauten zu testen. Ihr Beispiel aus Finnland zeigt eindrücklich, in welch schlichter räumlichen Anordnung neues Lernen möglich werden kann: Eine rechteckige Kiste mit einem denkbar simplen Grundriss, in der vielfältiges Spielen, Üben, Arbeiten, Ausruhen... möglich ist.

Neue Wege zu gehen, ist manchmal ganz einfach. Fangen wir an.

 

Barbara Pampe

Alle sprechen von höheren Investitionen und schnelleren Planungsverfahren im Schulbau. Aber um die Herausforderungen von Schule heute anzugehen, braucht es noch viel mehr. Denn die Anforderungen haben sich geändert. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, verbauen wir die Zukunft.

Die Zeit drängt: Neben dem angekündigten Investitionsbedarf von 33 Mrd. EUR[1] im Schulbau wächst auch die Schüleranzahl. 8,3 Millionen Schüler/innen werden voraussichtlich 2025 in Deutschland zur Schule gehen. Das sind 300.000 Kinder und Jugendliche mehr an den allgemeinbildenden Schulen als vor zwei Jahren[2] (siehe Blogbeitrag vom 28.Juli 2017). Das bedeutet: Wir brauchen mehr Lehrende und mehr Schulgebäude. SPD-Chef Martin Schulz will eine Mindestdrehzahl staatlicher Investitionen, eine Investitionsverpflichtung einführen.[3] Die CDU verspricht ein Planungsbeschleunigungsgesetz. Langwierige bürokratische Verfahren sollen verkürzt werden.[4] Alles das braucht es, damit Schulen saniert, erweitert und neu gebaut werden können. Aber es braucht noch viel mehr: Es braucht die Einsicht, dass es nicht reicht, in den nächsten Jahren Schulen nur zu sanieren, d.h. sie technisch auf Vordermann zu bringen. Wir brauchen auch neue Schulen und dies im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir brauchen Schulgebäude, die nicht nur schnell errichtet werden können, sondern die auch eine andere Lernumgebung bieten. Schule muss sich den gesellschaftlichen Veränderungen stellen und räumlich darauf reagieren. Die Aktivitäten in Schule haben sich verändert. Es wird nicht nur zugehört, geschrieben und gerechnet. Es wird sich ausgetauscht, gemeinsam entwickelt, präsentiert, in Gruppen und alleine gearbeitet, gemeinsam gegessen, musiziert, gespielt, getobt, Sport getrieben, nichts getan, Freizeitangebote wahrgenommen etc. Die Bandbreite der Aktivitäten hat zugenommen, die zeitlichen Muster haben sich verändert.

Temporärer Containerbau der Ritaharju School, Oulu, Finnland:
Fotos: Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft

Deshalb brauchen wir andere Räume mit anderen Proportionen, Größen, Qualitäten und Atmosphären sowie Verbindungen untereinander. Die Chance, die sich durch die anstehenden Investitionen in den Schulbau ergeben wird, dürfen wir uns nicht entgehen lassen: die besten Häuser für unsere Kinder und Jugendliche zu bauen, die den Funktionen einer heutigen Schule entsprechen. Die bekannten Strukturen der Klassenraum-Flur-Schulen passen auf die heutigen Aktivitäten, die Herausforderungen durch Ganztag und Inklusion sowie zu den Lern- und Lehrverhalten der Schüler/innen und Lehrenden nicht mehr. Es braucht neue Strukturen, offener und vielfältigere Strukturen, die es möglich machen, eine Vielzahl von Aktivitäten in Schule zuzulassen und dies in ansprechenden, inspirierenden und wertvollen Räumlichkeiten.

Das ist eine Riesenherausforderung. Nachdem jahrzehntelang die Schulbauten nach festgelegten Verfahren und festgelegten Raumlisten geplant worden sind, muss jetzt alles auf den Kopf gestellt werden. Die Planungsprozesse müssen angepasst, Spielräume im Vergaberecht ausgelotet und genutzt und die Verfahren und Genehmigungsabläufe in den Verwaltungen müssen beschleunigt werden. Es braucht eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Schule, Verwaltung und Architektur müssen zu einem früheren Zeitpunkt ein gemeinsames räumlich-pädagogisches Konzept entwickeln und sich den veränderten Grundlagen für die Gestaltung von Lernräumen stellen.

Es gilt immer noch oder auch wieder, wie 1960 von Wilhelm Berger beschrieben, „dass beim Schulhausbau eine rein äußerliche funktionelle Bauweise nicht genügt, d.h. die zweckentsprechende technische Ausgestaltung der Räume, die Zuordnung der einzelnen Räume zueinander gemäß dem täglichen Unterrichtsablauf und die Zuordnung der einzelnen Baukörper entsprechend ihrer Aufträge – so wichtig sie im Einzelnen auch sind-, um den Bedürfnissen der jungen Generation entgegenzukommen.“[5] Parallel dazu müssen die Planungsvorgaben für den Schulbau über Bord geworfen werden bzw. auf die veränderten Aufgaben und Aktivitäten in Schule angepasst werden.

Auch wenn der zeitliche Druck groß ist, dürfen wir die Chance zur Innovation im Schulbau in Deutschland nicht verschlafen. Wir sollten die temporären Lösungen sogar nutzen, um Experimente zu wagen und andere räumliche Lösungen zu testen. Die temporären Containerbauten können die Möglichkeit bieten, andere räumliche Konstellation zu testen, die dann in dem eigentlichen Schulneubau oder -anbau langfristiger und verbessert umgesetzt werden können.

Barbara Pampe
Architektin, Projektbereich Pädagogische Architektur
Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft
schulen-planen-und-bauen.de

[1] Berger, Wilhelm (1960) Schulbau von heute für morgen, Göttingen/Frankfurt a.M./Berlin. S.11 Grundfragen des Schulbaus

[1] KfW-Kommunalpanel 2017: https://difu.de/publikationen/2017/kfw-kommunalpanel-2017.html

[2]Studie der Bertelsmann Stiftung : Demographische Rendite adé. Aktuelle Bevölkerungsentwicklung und Folgen für die allgemeinbildenden Schulen https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/demographische-rendite-ade/

[3] Andreas Kißler: Bankenverband kritisiert Investitionsprogramm der SPD, Finanznet, 18. Juli 2017: http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/bankenverband-kritisiert-investitionsprogramm-der-spd-5585470

[4] Florian Gathmann/Philipp Wittrock: Wohin mit dem Geld? Spiegel online, 18. Juli 2017: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-und-martin-schulz-wer-hat-recht-im-investitionen-streit-a-1158318.html

[5] Berger, Wilhelm (1960) Schulbau von heute für morgen, Göttingen/Frankfurt a.M./Berlin. S.11 Grundfragen des Schulbaus

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