Unsere Demokratie verändert sich, Partizipation wird immer mehr zum Thema einer sich wandelnden Gesellschaft. Wie für die Demokratie im Allgemeinen gilt auch hier: Beteiligung gibt es nicht zum Nulltarif, sie muss erstritten, erarbeitet und erlernt werden - von Bürgerinnen und Bürgern, der Verwaltung und auch von der Politik.
Hinter dem Wunsch nach Mitgestaltung steht immer die Frage "Wie wollen wir leben?" Wie soll unsere Schule aussehen? Wie wollen wir dort leben, lernen und arbeiten? Wie sieht das Lernen der Zukunft aus und können wir heute die Räume dafür planen?
Es ist ungemein hilfreich, wenn es für diesen Prozess des Entwerfens bereits Vorbilder gibt, die ihre Erfahrungen weitergeben und Wissen teilen. Angelika Deinhardt, selbst Schulleiterin, hat für ihre Kolleginnen und Kollegen eine mutmachende Handreichung geschrieben, die wir in Auszügen veröffentlichen dürfen.
Die wenigsten Schulleitungen sind auf die Aufgabe vorbereitet, Unterrichtsräume einzurichten, Bestandsgebäude zu renovieren, Erweiterungsbauten zu entwerfen oder einen Schulneubau zu erstellen. Schulische Führungskräfte können die Chance, die in der Errichtung neuer Lernräume liegt, nutzen und sich erfolgreich in die Planungsarbeit einbringen, wenn sie ihre pädagogischen Leitlinien zielorientiert kommunizieren und sich proaktiv mit den Aufgaben befassen, die Schularchitektur lösen soll.
Sie haben als Mitglied des Bauausschusses die Möglichkeit, daran mitzuwirken, dass die Steuergelder in der Schularchitektur verantwortlich und zukunftsweisend verwendet werden.
Wenn man die Chance hat, einen Schulneubau zu entwickeln oder ein Bestandsgebäude grundständig zu renovieren oder zu erweitern, lohnt die Mühe, sich im Bauausschuss einzumischen und Visionen, wie Schule sein könnte, einzubringen. Wenn Planungen dem Kreis als dem Bauherrn und dem Architekten überlassen werden, dann kommt unter Umständen ein Schulgebäude heraus, das in Zukunft als Dritter Pädagoge nicht taugt.
Neue Bilder von Schule
In Planungsprozessen werden häufig Vorstellungen von Schule manifest, die der Vergangenheit angehören. Ein Architekt plant ein Schulgebäude und zeichnet: Wenn ein Raum ein Klassenraum sein soll, wird vorne ein Pult, eine Tafel, ein Waschbecken gezeichnet und dann Tische in Reihen. Dieses Bild von Schule, wie manche es noch aus dem Bilderbuch "Die Häschenschule" von 1924 kennen, hält sich bis heute im kollektiven Gedächtnis. Wenn Kinder Schule spielen, wenn Erwachsene sich an Schule erinnern, dann ist diese Vorstellung wirksam. Wenn andere Bilder von Schule in Umlauf kommen sollen, muss man aktiv eingreifen, sobald überholte Bilder in der Planung mitspielen. Wenn die Elektriker kommen und sagen, sie wollen die Lampen installieren und die Positionen in den Plänen nicht richtig markiert sind, fragen sie: Wo ist die Tafel? Wo steht der Lehrer? Weil für ihn andere Lux-Werte gelten als für die Schülerinnen und Schüler. Wenn für kooperative Lern- und Arbeitsformen enthierarchisierte Gruppenräume entstehen sollen, dann müssen diesen alten Bildern andere entgegengesetzt werden. Und darin besteht die Knochenarbeit: Im kollektiven Gedächtnis neue Bilder zu etablieren. Wenn es gelingt, dass irgendwann Erwachsene, die ja alle ehemalige Schüler sind, auf Bilder von Schule zugreifen, die nicht mehr die Vorstellungen wiedergeben, in denen ihre Eltern von Schule gesprochen haben und die die filmischen Inszenierungen von Schule immer noch prägen, dann sind wir einen Schritt weiter.
Schulgebäude werden auf eine Dauer von 30 bis 40 Jahren konzipiert. Als Schulleitung trägt man die Verantwortung für die investierten Steuergelder und entscheidet mit, ob Vorstellungen aus der Vergangenheit unreflektiert weiter wirken oder ob die Chance genutzt wird, Unterricht neu und zukunftsweisend zu denken.
Die Botschaft des Gebäudes
Wenn man durch eine herkömmliche (Gang-)Schule geht, durch die langen, eng wirkenden Gänge, von denen die meist geschlossenen Türen zu den Klassenräumen führen, auf der anderen Seite finden sich gekachelte Toilettenanlagen, ein Kartenraum, - und in die Klassenräume schaut, sieht es oft kahl aus, denn es sollen keine Löcher in die Wand gemacht werden. In den Aufenthaltsbereichen sind Tische und Bänke fest verschraubt, weil die Erfahrungen mit dem Vandalismus für sich sprechen. Die Pylonentafeln sind an einer Wand fixiert, es gibt ein Lehrerpult mit einem gepolsterten Stuhl für den allein dadurch schon ältlich wirkenden Lehrer. Die ganze Architektur und die Einrichtung spricht davon, die Kinder und Jugendlichen kurzzuhalten und davon auszugehen, dass sie eh alles kaputt machen.
Solche Räume wirken feindlich und abweisend und erzählen, dass hier Vitalität und Wachstum von Kindern und Jugendlichen nicht erwünscht ist: "Wir tun alles, damit ihr nicht macht, was ihr wollt." Da hilft es auch nicht, wenn die Fassaden mit kinderfreundlichen Farben gestrichen wurden, weil man ja gute Absichten hat. Das verursacht diesen Eindruck von Knast. Nicht, dass die Kinder und Jugendlichen eingesperrt wären - viele Schulträger lehnen es ab, Schulgelände einzuzäunen, - oder dass es dunkel wäre. Es reicht, dass alle Möglichkeiten bekämpft werden, die Kindern und Jugendlichen einfallen könnten, wenn sie die Schule und die Verhältnisse nicht leiden können und an der Einrichtung und an den Wänden Konflikte abreagieren, für deren Lösung im Haus keine anderen Möglichkeiten angeboten werden. Es lohnt sich, bei der Planung bei sich selbst nachzuforschen und sich mit allen Beteiligten über die Frage zu verständigen: "Welche Bilder von Kindern und Jugendlichen haben wir? Wie sehen wir uns selbst?" Das Haus wird davon erzählen, ob man darüber gesprochen hat oder nicht. Wenn ich Wachstum begrüße, wenn ich sage, wir haben die Schule, weil die Kinder und Jugendlichen Lernbedarf haben und sich teilweise noch nicht angemessen verhalten, dann brauchen wir dafür zieldienliche Lernumgebungen. Was kann man tun, damit Kinder sehen, sie sind in der Art, wie sie sind - mit ihrer Lust sich zu bewegen, mit ihrem Einfallsreichtum - willkommen? Man könnte ihnen zugestehen, dass sie sich in der Schule zuhause fühlen, dass sie Zuwendung brauchen, dass sie am liebsten mit ihren Peers zusammen sind und dass sie vieles ausprobieren wollen. Wenn in einer Schule noch eine defizitorientierte Haltung vorherrscht, ist es zunächst die Aufgabe, eine zugewandte lösungsorientierte Sprechweise zu etablieren, die den Kindern und Jugendlichen vermittelt: Ihr seid willkommen, diese Schule ist für euch da und bekämpft euch nicht.
Eine engagierte Lehrkraft kann schon heute in einer Gangschule an den Fragen anknüpfen, die Kinder und Jugendliche beschäftigen, in ihrer Unterrichtszeit die Tische umzustellen und kooperative offene Lernsituationen ermöglichen. In einem schönen einladenden Haus mit flexiblem Mobiliar geht es leichter.
Bei Neubauten, die als Gangschulen (s.o.) gebaut wurden, muss man sagen: Schade! Wenn man nachfragt, wie es dazu kam, heißt es, die Schulleitung hat sich nicht dafür interessiert. Es fehlte die Zeit. Man hat den Kreis und den Architekten machen lassen.
Raumprogramm
Die Planung beginnt oft mit dem Raumprogramm: Die Schulleitung soll auflisten, welchen Bedarf die Schule an Klassen-, Kurs- und Fachräumen vor dem Hintergrund des Schulentwicklungsplans hat, denn der Schulträger wird als erstes einen Kostenrahmen festlegen. Für Klassenräume gibt es Vorgaben (60 qm) und für Fachräume Sicherheitsvorschriften, an denen sich ein Architekturbüro orientiert und dann Pläne auf den Tisch legt.
Schon hier sollte sich die Schulleitung einschalten: Welche Vorstellung von Unterricht haben wir? Was für Räume brauchen wir? Wie können die Verkehrsflächen (Flure, Treppenhäuser) von vorherein als Lernlandschaften mit eingeplant werden?
Beteiligung der zukünftigen Benutzer
Der beste Schutz eines Gebäudes ist die Liebe der Benutzerinnen und Benutzer zu "ihrem" Schulhaus. Ihre frühzeitige Beteiligung zahlt sich bar aus. Während Kinder und Jugendliche sich vorübergehend im Haus bewegen (zwischen 3 und 10 Jahren), stellt die Schule für Lehrkräfte und Schulpersonal einen langjährigen Arbeitsplatz dar. Die Einbeziehung der Beteiligten im Planungsprozess kann sich beziehen auf die Erkundung der berechtigten Bedürfnisse und die Arbeitsabläufe der unterschiedlichen Benutzer und die Partizipation bei Entscheidungen, wenn realisierbare Alternativen vorliegen.
Mit dem Bauen ist es wie mit der Kunst: Es macht viel Spaß, aber auch viel Arbeit. Die Unterstützung durch die das gemeinsame Lernen und Leben bejahende Botschaft der gebauten und eingerichteten Umgebung entlohnt alle Mühe - und das für 30 bis 40 Jahre!
Angelika Deinhardt
Der Text ist eine gekürzte Fassung der Handreichung "Neue Lernräume schaffen - woran man beim Planen denken sollte" (Autorin: Angelika Beck, bitte Namensänderung beachten). Die Publikation enthält Checklisten mit zahlreichen Hinweisen und Tipps.
Der Beitrag ist im Loseblattwerk PraxisWissen SchulLeitung erschienen. Herausgeber: Bartz/Dammann/Huber/Klieme/Kloft/Schreiner
Carl Link Verlag
Auflage: 2014, 39. Lfg.
Das komplette Werk können Interessierte sich online im Shop auf www.schulverwaltung.de bestellen. Premium-Mitglieder des Portals haben die Möglichkeit, sich das Werk online zuzulegen und sich den Beitrag auch als PDF abzuspeichern.
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Angelika Deinhardt ist Schulleiterin der Limesschule Idstein in Hessen.