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Schulbau als Gemeinschaftsaufgabe: Nutzerwünsche und Gebäudepotentiale miteinander verzahnen

Wie wollen wir leben? Wie soll unser Lernen und Lehren gestaltet sein? Nutzerinnen der Schulgebäude werden viel zu wenig in die Planung und Gestaltung ihrer Häuser einbezogen. Schulleitungen manchmal, Schülerinnen in der Regel überhaupt nicht.

Katharina Sütterlin und Susanne Wagner haben vor einigen Jahren in Berlin "Bauereignis" gegründet, um diesem Mangel an Partizipation etwas entgegenzusetzen. Ihre vergleichsweise kleinen Projekte bewirken große Veränderungen.

Aufgrund ihrer Beobachtungen aus dem Ganztagsschulprogramm des Bundes (hier wurden ab 2004 letztmalig Bundesmittel in Milliardenhöhe verbaut) wünschen die Architektinnen sich nun eine Kleinigkeit (Finanzfachleute in den Verwaltungen werden das anders sehen). Ein Teil des Budgets für die Sanierung oder den Neubau möge zurückgehalten werden, um Anpassungen für die jeweiligen Nutzerinnen ermöglichen zu können. Klingt nach einer smarten Idee.

 

Schulgebäude sind nach der Kindertagesstätte und neben dem privaten Wohnbereich die ersten und damit prägenden architektonischen Hüllen, in denen sich jedes Kind, jeder Jugendliche, viele Stunden des Tages aufhält. Damit haben diese Räumlichkeiten eine gestalterisch erzieherische Wirkung.

Schulgebäude bleiben in Grundriss und Ausstattung der Räume weit hinter den Anforderungen, die das Schulleben an sie stellt, zurück. Auch bei Neubauten werden die pädagogischen Erkenntnisse vernachlässigt. Schlechte Akustik, geringe Aufenthaltsqualität, wenig Rückzugsorte, wenig Bewegungsangebot im Alltag, ...

Welche Voraussetzungen sind günstig für einen lebendigen kreativen Schulalltag?

 

alle Fotos auf dieser Seite: Bauereignis Sütterlin Wagner

Wir beobachten, befragen, planen gemeinsam mit den Nutzer*innen und machen gemeinsam die Hülle passend zu dem Leben, das stattfinden will. Dabei verändern wir nicht nur die Räume, sondern lernen in dem gemeinsamen Prozess die Möglichkeiten kennen, uns für unsere Bedürfnisse einzusetzen.

Für jedes Kind erfahrbar ist dieses Potential da, wo es um den eigenen Arbeitsplatz im Klassenraum geht: Hat der Stuhl die richtige Höhe? Kann ich gut verstehen, was die anderen sagen oder ist der Raum zu laut? Kann ich mich, wenn ich mehr Ruhe brauche, zurückziehen? Habe ich Spielraum mich zu bewegen, wenn ich nicht mehr stillsitzen kann? Aber auch Themen, die den ganzen Schulalltag betreffen, können gut gemeinsam verhandelt werden: Wie sieht z. B. eine gute Situation für das Mittagessen aus?

Schulleiter*innen werden des Öfteren unzureichend oder gar nicht informiert, wenn es um Veränderungen bzw. Fragen geht, die das Schulgebäude betreffen. In anderen Fällen müssen sie Entscheidungen zu architektonischen Fragen treffen, ohne hierzu fachliche Unterstützung an die Seite gestellt zu bekommen. (Farbkonzept bei der Renovierung, Möbelausstattung von Schulräumen, ...) Schüler*innen und Pädagog*innen in Entscheidungen einzubinden ist leider auch längst nicht selbstverständlich.

Wir gehen die Planungsaufgabe Schulbau radikal von der Basis her an und entwickeln die Zielsetzungen für die Gestaltung gemeinsam mit den Nutzer*innen. Teilbereiche realisieren wir im Selbstbau mit den Schüler*innen gemeinsam und unmittelbar. Neben einer hohen Passgenauigkeit und großen Nutzerzufriedenheit mit dem Ergebnis wird auf diese Art der Gestaltungsprozess ein kultureller Bildungsprozess, die Baustelle ein Ereignis, an dem gesellschaftliche Teilhabe praktisch erfahren wird.

Grundlagenermittlung und Raum für Aneignung

Die Ausformulierung der pädagogisch-baulichen Aufgabenstellung braucht Planungskompetenz, Zeit, Raum und Finanzierung, sowohl in der Anfangsphase eines Bauvorhaben als auch zur späteren Feinjustierung nach erster Erprobung des Neuen im Gebrauch. Eine vertiefende Nutzerpartizipation in der Vorbereitungs- und Entwicklungsphase von Bauvorhaben ist Gegenstand von derzeit geführten Debatten in Politik und Architektenkreisen, weil sie eine als "Besondere Leistungen" anzubietende und jedes Mal - immer noch, fast komplett - neu zu verhandelnde Position ist.

Am Beispiel der Bundesmittel für den Ausbau von Schulen zu Ganztagsschulen (IZBB-Mittel), im Zuge dessen Geld für den Bau von Mensen und Hortbetrieb auf dem Schulgelände ausgegeben wurde, haben wir beobachtet, dass Schulleiter*innen gelähmt waren davon, dass der große Geldregen vorüber ist, aber der Betrieb in den neu gebauten Räumen nicht unbedingt funktioniert. An dieser Stelle ist ein verwaltungstechnischer Kniff gesucht, Gelder für ein späteres Feintuning von Raum und Nutzung zurückzuhalten.

Katharina Sütterlin
Bauereignis Sütterlin Wagner
www.bauereignis.de

Architekturplanung und Prozessmoderation
gegründet 2006 von Katharina Sütterlin, Dipl.-Ing. Architektin  und Susanne Wagner, Dipl.-Ing. Innenarchitektin
Unsere Leidenschaft ist es, Schulentwicklung an der Schnittstelle zum Räumlich-Dinglichen zu unterstützen und zu begleiten. Eigene Handlungsfähigkeit wird in unserer Projektarbeit intensiv erlebt und soll unter anderem über die Gestaltung in den Schulalltag hineinwirken. Highlight unserer Arbeit sind die „Bauereignisse“, in denen Schüler/innen mit fachlicher Begleitung ihre Lernumgebung selbst bauen.  Bis Ende 2016 haben wir mit unserem Team neben klassischen Planungsleistungen für Schulen und Kitas rund 70 „Bauereignisse“ an 25 Berliner Schulen umgesetzt. Unsere Expertise ist  bundesweit auf Bildungskongressen gefragt, wir schreiben Fachartikel und geben eigene Broschüren über unsere Arbeit heraus.

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