web analytics
Springe zum Inhalt

Am Geld liegt es nicht: „Meine Kommune setzt die falschen Prioritäten“

Es könnte so wunderbar einfach sein: Die Kommunen sind arm und strukturell unterfinanziert. Schuld daran sind die Länder, die den Kommunen zu wenig geben. Oder der Bund, der den Ländern zu wenig gibt. Je nach Thema, Parteibuch und Zugehörigkeit zu politischen Ebenen oder Lobbygruppen gibt es da diverse Spielarten.

Die Wirklichkeit ist komplizierter. Richtig ist: Es gibt arme, und es gibt reiche Kommunen. In ersteren bröckeln Schulen, die Straßen sind löchrig, Brücken sind marode, am Personal wird gespart. Die wohlhabenden Städte und Gemeinden - leisten sich gute Bildungseinrichtungen, weil die Kinder es ihnen wert sind? Weil die Jüngsten der Stadt einen guten Start haben sollen? Weil Bildung und Erziehung einen Wert darstellen?

Schön wär's.

Ratingen, weiß unser heutiger Beschwerdeführer, gehört zu den reichsten Kommunen des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Stadt investiert in "ein neues Rathaus, einen neuen Baubetriebshof oder steckt die Steuergelder in die millionenschwere Umgestaltung eines Busbahnhofs", erzählt Stefan Dietrich. Das innerstädtische Schulzentrum dagegen verfällt seit Jahrzehnten. Dietrich kennt das Gymnasium aus seiner eigenen Schulzeit - das Wiedersehen anlässlich eines Tages der offenen Tür löste Entsetzen und Fassungslosigkeit aus.

Die unansehnlichen und damals schon vergammelten Provisorien der 70er Jahre stehen heute noch. Im Hauptgebäude sieht es nicht viel besser aus. Zu Beginn des Schuljahres wird Dietrich Junior hier den Weg zum Abitur einschlagen. Wie viel der Stadt Ratingen seine Schüler wert sind, wird das Kind an Wänden, Fenstern, Toiletten oder dem Mobiliar ablesen können.

Am Geld liegt es nicht...

sondern eher an mangelndem Bildungsbewusstsein und falscher Prioritätensetzung.

Die Stadt Ratingen gehört, nicht zuletzt aufgrund ihrer günstigen geographischen Lage, zu den reichsten Kommunen in NRW und ihre Steuereinnahmen sind angeblich höher als der Finanzbedarf (Abundanz-Kommune). Bei der Steuereinnahmekraft in Euro je Einwohner belegt sie laut IHK einen den ersten fünf Plätze vergleichbarer Mittelstädte.

Der Anteil Schulabsolventen mit Fachhochschulreife oder Hochschulreife ist jedoch gering und bewegt sich im unteren Bereich, was hinsichtlich des Fachkräfteangebots die Zukunftsaussichten eintrübt. Die Stadtverwaltung und die Schulen beklagen bereits heute einen Mangel an Fachpersonal.

Obwohl der Kreis Mettmann der am höchsten verdichtete Landkreis in ganz Deutschland ist, müssen ansiedlungswillige Firmen zu Lasten der Ratinger Bevölkerung ihr Personal anderen Orts beschaffen und tagtäglich einpendeln lassen.

Anstatt nunmehr 2017 kräftig in Bildung, Jugend und Zukunft zu investieren lässt die Ratinger Stadtverwaltung seit Jahren unter anderem das innerstädtische Schulzentrum mit Gymnasium, Haupt und Grundschule, sowie zugehörigem Sportplatz verfallen, versucht Schul-Grundstücke zu veräußern und baut sich lieber selbst ein neues Rathaus, einen neuen Baubetriebshof oder steckt die Steuergelder in die millionenschwere Umgestaltung eines Busbahnhofs. Die großen Parteien im Rat scheint das mehrheitlich nicht zu stören.

Das innerstädtische Gymnasium der Stadt Ratingen platzte schon in den 1970er Jahren aus allen Nähten und so wurden eilig, als Provisorium, einige gebrauchte Pavillons beschafft und aufgestellt. Schon vor mehr als 30 Jahren zeichneten sich diese Behelfsräume durch Schimmel, sommerliches Barackenklima und winterliche Eisblumen an den Fenstern aus. Wein mag mit der Zeit besser werden, für Not-Baracken gilt das sicher nicht. Die Pavillions wurden bis heute nicht durch feste Gebäude ersetzt und nicht einmal erneuert!

Nach fast einem halben Jahrhundert Schulbetrieb sind auch die beiden Haupt-Gebäude des innerstädtischen Gymnasiums seit langem sanierungsbedürftig und entsprechen, wie leider so viele in NRW, bei weitem nicht den Anforderungen an eine moderne Bildungseinrichtung.

Neben fehlendem sommerlichem Hitzeschutz, angemessener winterlicher Beheizung, einer vernünftigen Beleuchtung und Tageslichtführung, Lärmschutz, ergonomischer Möblierung und zeitgemäßer Haustechnik von Telefon bis Internet gibt es mittlerweile handfeste, zum Teil wohl sicherheitsrelevante, Bau und Instandhaltungsschäden. Eine Auflistung findet sich im Netz auf den Seiten der Rheinischen Post.

Die Fotos, die ich zum Tag der offenen Tür im letzten Jahr und während einer Schulfeier vor wenigen Wochen aufgenommen habe, geben Zeugnis von den herrschenden Zuständen, die Schulleitung und Schulträger den Kindern zumuten.

Bei einem FDP Bürgermeister und CDU Schuldezernent klingen die Wahlversprechen der schwarz gelben Koalition in NRW, die rot grüne Bildungspolitik endlich zu verbessern und solche Zustände zu beseitigen, fast wie Hohn.

Aber, in diesem Jahr sollen immerhin einige Klassen aus den Baracken in das zwischenzeitlich als Flüchtlingsunterkunft genutzte Gebäude, der aufgrund der rot grünen Schulpolitik geschlossenen Hauptschule umziehen.

Der zugehörige Sportplatz, auf dem die Kinder nach Schulschluss zusammen mit den anderen Bürgern des Stadtteils Ratingen Süd Bewegung und Freizeitsport treiben könnten, soll entgegen anderslautender Empfehlung des aktuellen Ratinger Sportentwicklungsplan 2015 – 2025 und den Bedarfsprognosen der Bertelsmann Studie "Demografische Rendite ade" auf Wunsch von SPD und Grünen trotzdem nunmehr einer Wohnbebauung weichen ! (http://www.sportplaetze-ratingen.de/)

Bei Bildung, Bewegung und Gesundheit unserer Kinder sind sich die Parteien anscheinend einig. Es gibt wohl Wichtigeres......

Stefan Dietrich, Ratingen
Schüler des innerstädtischen Gymnasiums im Abiturjahrgang 1987

 

 

Schreibe einen Kommentar