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Solide Kommunalfinanzen als Voraussetzung für mehr Investitionen

Reiche Kommunen können viel investieren, in armen Städten und Gemeinden wird gespart "bis es quietscht" (Klaus Wowereit, ehem Regierender Bürgermeister von Berlin). Was das genau bedeutet, ermittelt die Bertelsmann Stiftung seit 2013 in ihrem Kommunalen Finanzreport. Die neueste Studie ist gerade erschienen und zeigt extreme regionale Unterschiede auf.

So gaben die bayerischen Kommunen für Investitionen pro Einwohner drei Mal mehr aus als die im Saarland. Während es im Südosten kaum Kassenkredite gibt, sind die Menschen im kleinsten Bundesland mit mehr als 2000 Euro pro Kopf "im Dispo". Der Osten ist fast fächendeckend steuerschwach, der Süden dagegen profitiert von einer starken Wirtschaftskraft.

Die Unterschiede nehmen weiter zu, vor allem weil, so Friederike Sophie Niemann von der Bertelsmann Stiftung, sich die Steuerkraft einer Kommune nur bedingt beeinflussen lasse. Die Forscherin benennt verschiedene Möglichkeiten des Ausgleichs bis hin zur Übernahme von Altschulden.

Das Hilfspaket des Bundes für finanzschwache Gemeinden findet Niemann im Prinzip gut und richtig. Die Verteilung der Mittel nach Einwohnerzahl, Haushaltssituation (Kassenkredite) und sozialer Lage (Arbeitslosenquote) ist allerdings nicht optimal: Letzteres mache Sinn, "die Einwohnerzahl ist hingegen mit Blick auf die Förderung von Investitionen explizit finanzschwacher Kommunen zumindest fraglich, da bspw. Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg zwar einerseits zu den einwohnerstärksten deutschen Bundesländern zählen, ihre Kommunen jedoch andererseits im bundesweiten Vergleich finanziell am besten dastehen und auch am meisten investieren." Das Kriterium Kassenkredite könnte Fehlanreize provozieren, mahnt Niemann.

Tatsächlich ist gesetzlich festgeschrieben, dass Bayern und Baden-Württemberg mit 13,3 % nur unwesentlich weniger Mittel aus dem Kommunalinvestitionsfonds erhalten als alle ostdeutschen Länder insgesamt (16,6 %). Wir freuen uns, ebenso wie die Kollegin aus der Bertelsmann-Stiftung über die Initiative des Bundes. Wir sehen aber noch erheblichen Verbesserungs- und Anpassungsbedarf, was die Prioritäten angeht.

 

Friederike-Sophie Niemann

Betrachtet man die aktuelle kommunale Finanzentwicklung - wie jüngst im „Kommunalen Finanzreport 2017“ der Bertelsmann Stiftung geschehen - so sieht die Lage der deutschen Kommunen momentan gut aus: Städte, Gemeinden und Kreise konnten 2016 bundesweit einen Haushaltsüberschuss von 4,5 Mrd. Euro erwirtschaften; mithin der beste Abschluss seit 2008 und das fünfte positive Jahr in Folge. Was das positive Bundesaggregat jedoch verbirgt, ist ein wachsendes regionales Gefälle. Denn selbst im konjunkturell so guten Jahr 2016 schlossen die Kommunen in drei Ländern (Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und dem Saarland) mit einem Defizit ab.

Regionale Disparitäten zeigen sich jedoch nicht nur mit Blick auf die Haushaltsabschlüsse, sondern auch hinsichtlich der kommunalen Investitionen. Die bundesweiten Unterschiede sind dabei beträchtlich: So gaben die bayerischen Kommunen 2016 im Schnitt je Einwohner drei Mal mehr aus als die saarländischen. Interessant ist bei diesem Vergleich, dass beide Länder zugleich die Extrempositionen in Bezug auf die Haushaltslage besetzen. Der übliche Indikator ist hier die Höhe der Kassenkredite, quasi der Dispo der Kommunen. Eigentlich sollten Kassenkredite nur zur Überbrückung kurzfristiger finanzieller Engpässe dienen, mittlerweile sind sie jedoch in vielen Kommunen zum Dauerzustand geworden und spiegeln deren angehäufte Defizite der Vorjahre wider. Während diese Kredite in Bayern kaum vorkommen, lagen diejenigen der saarländischen Kommunen bei über 2.000 Euro je Einwohner.

Wie eng Finanzlage und Investitionsausgaben zusammenhängen, offenbarte vor zwei Jahren auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (Wochenbericht Nr. 43.2015). Es wurde gezeigt, dass Kommunen mit einem positiven Finanzierungssaldo signifikant mehr für Investitionen ausgeben (23 Prozent der Gesamtausgaben) als solche mit einem neutralen (16 Prozent)  oder negativen Finanzierungssaldo (10 Prozent). Da laut diesem Bericht die Höhe der Gesamtausgaben in allen drei Gruppen in etwa vergleichbar ist und auch kaum Unterschiede bei den anteiligen Ausgaben für Personal und Sachaufwand erkennbar sind, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass zum einen Einnahmeunterschiede der Kommunen (vor allem mit Blick auf die Steuerkraft) und zum anderen unterschiedliche Ausgabehöhen im Sozialbereich die ungleichen Investitionsausgabenanteile mit verantworten.

In der Tat sind die Differenzen der Steuerkraft zwischen den Kommunen erheblich. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Osten Deutschlands nach wie vor flächendeckend steuerschwach. Demgegenüber liegen die Steuereinnahmen in Süddeutschland immer deutlicher über dem Bundesdurchschnitt. Grund dafür sind Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur der Kommunen. So haben im kommunalen Steuereinnahmemix v.a. die Gewerbesteuer und der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer ein großes Gewicht - deren regionale Steuerbasis ist jedoch bundesweit höchst ungleich verteilt. Während mancherorts die Wirtschaft boomt, sind andere Kommunen von anhaltender Strukturschwäche gezeichnet. Wirtschaftliche und sozialstrukturelle Disparitäten führen überdies zu unterschiedlich hohen Sozialausgaben, die als Pflichtaufgaben die jeweiligen Kommunalhaushalte entsprechend belasten und weitere Ausgabespielräume einschränken.

Wirtschafts- und damit finanzschwache Kommunen investieren also wenig. In der Folge nehmen die Unterschiede in der Infrastruktur und Standortqualität erkennbar zu. Was kann daher getan werden, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken bzw. die negativen Auswirkungen für die betroffenen Kommunen abzuschwächen? Im Rückblick der vergangenen Jahre lässt sich erkennen, dass sich die Wirtschafts- und damit die Steuerkraft von Kommunen nur bedingt beeinflussen lassen. Insofern sind v.a. die Ausgestaltung der jeweiligen Finanzausgleichssysteme wichtige Ansatzpunkte, um allzu starke Einnahmedifferenzen zwischen den Kommunen auszugleichen und folglich alle Kommunen zumindest mit den finanziellen Mitteln auszustatten, die sie benötigen, um sowohl ihre Pflichtaufgaben als auch ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben finanzieren zu können. Dies ist zur langfristigen Sicherung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet unabdingbar.

Um zu verhindern, dass die Schere zwischen armen und reichen Kommunen immer weiter auseinander geht, sollten die Kommunen überdies noch stärker durch den Bund bei denjenigen Sozialausgaben unterstützt werden, die strukturell benachteiligte Kommunen besonders stark belasten. Hier bietet sich z.B. eine höhere Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft für SGB-II-Bezieher an. Bei der Übertragung weiterer Aufgaben an die kommunale Ebene sollte zudem das Konnexitätsprinzip streng beachtet werden, also etwaige Aufgabenübertragungen entsprechend gegenfinanziert sein.

Ein weiterer Ansatzpunkt liegt darin, über eine grundsätzlichere Lösung der Altschuldenproblematik nachzudenken, um die Zinsrisiken besonders hoch verschuldeter Kommunen zu senken und ihnen wieder neue Handlungsspielräume zu eröffnen. Ein Schuldenabbau aus eigener Kraft ist den meisten von ihnen kaum möglich. Werden ihre Haushalte zudem von der Aufsicht nicht genehmigt, so dürfen sie nur noch äußerst eingeschränkt investieren - ein großer Nachteil für die Lebensbedingungen vor Ort, insbesondere wenn dieser Zustand längerfristig anhält.

In Bezug auf die seit Langem attestierte Investitionsschwäche vieler Kommunen hat der Bund sich 2015 entschieden, diese mit einem Hilfspaket über 3,5 Milliarden Euro direkt zu unterstützen. Dies war ein bemerkenswerter Schritt, da der Bund dem Grundgesetz folgend eigentlich gar keine Kompetenzen in der kommunalen Finanzierung hat. Das Grundgesetz musste daher ein Stück weit gedehnt werden. So konnten die Kommunen mit dem zusätzlichen Geld keine Schulen an sich bauen oder sanieren, sondern nur energetische Maßnahmen vornehmen. Ein zweiter interessanter Punkt ist die Verteilung der Gelder. Der Bund bemaß die einzelnen Länderanteile nach Einwohnerzahl, Haushaltssituation (Kassenkredite) und sozialer Lage (Arbeitslosenquote). Die Arbeitslosenquote macht dabei durchaus Sinn, da sich eine hohe Quote tatsächlich negativ auf den Kommunalhaushalt auswirkt. Die Einwohnerzahl ist hingegen mit Blick auf die Förderung von Investitionen explizit finanzschwacher Kommunen zumindest fraglich, da bspw. Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg zwar einerseits zu den einwohnerstärksten deutschen Bundesländern zählen, ihre Kommunen jedoch andererseits im bundesweiten Vergleich finanziell am besten dastehen und auch am meisten investieren. Der Indikator der Kassenkredite hat in der kommunalen Familie auch Widerspruch hervorgerufen, da hier durchaus ein Fehlanreiz liegen könnte. Darüber hinaus haben einige Länder in jüngster Zeit die Kassenkredite ihrer Kommunen umgeschuldet, so dass sie nun weniger erhalten. Die Verteilung der Mittel innerhalb der Länder auf die einzelnen Kommunen überließ der Bund den Ländern.

Für viele überraschend wurden die 3,5 Milliarden Euro dieses Paketes anfangs nur sehr zögerlich abgerufen. Das liegt zum einen in der Natur der Sache, denn die Bauleistungen müssen erst geplant, ausgeschrieben und erbracht werden, bevor das Geld fließt. Es spiegelt aber auch zwei andere Probleme wieder, die die Investitionskraft der Kommunen bremsen und zwar ganz unabhängig vom Geld:  Es fehlt an Kapazitäten in den Bauämtern und schlicht an Baufirmen. Selbst bei Gesundung aller Kommunalhaushalte kann der Investitionsbedarf, sei es an Schulen oder anderweitig, also gar nicht zügig abgebaut werden. Der Erhalt der Infrastruktur ist somit nicht nur eine Frage der Finanzen. Zwischenzeitlich sind die Mittel des Hilfspaketes aus 2015 aber Großteils verplant.

Die öffentlichen Investitionen besitzen eine hohe öffentliche Wahrnehmung und rückten in den letzten Jahren verstärkt in die politische Debatte. Vor allem in Bezug auf Schulen besteht ein hoher Bedarf, wie uns regelmäßig die KfW-Bank und das DIfU in ihrer Befragung aber auch die Bertelsmann Stiftung mit einer aktualisierten Prognose der mittelfristigen Schülerzahlen bescheinigt. Aus diesem Grund wurde im Sommer 2017 im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein zweites kommunales Investitionspaket, wiederum über 3,5 Milliarden Euro, beschlossen. Aus dem ersten Paket hat der Bund einiges gelernt: Man änderte parallel das Grundgesetz und schuf die neue Kompetenz für den Bund, kommunale Schulbauten zu fördern. Das zu akzeptieren fiel den Ländern nicht leicht. Gleichzeitig wurden auch die Kontrollrechte des Bundes gestärkt, was wiederum die Kommunen nicht begrüßen. Auch bei der Verteilung der Gelder auf die Kommunen will der Bund nun ganz konkret mitreden.

Soweit heute ersichtlich werden die originären Unterschiede zwischen den Kommunen aufgrund der wirtschaftlichen und demografischen Trends weiter zunehmen. Es ist daher keine leichte Aufgabe, die Kommunen flächendeckend finanziell stabil und handlungsfähig zu halten. Positiv ist jedoch anzumerken, dass die Verantwortlichen in Bund und Ländern dieses Problem in den vergangenen Jahren erkannt und einiges zu dessen Minderung bewegt haben.

Friederike-Sophie Niemann
Projektmanagerin im Programm „LebensWerte Kommune“ (Bertelsmann Stiftung)

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